Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner sieht die Angst vor dem Islam in der Glaubensschwäche des Westens begründet. Als Beispiel für diese Schwäche verwies der Kardinal beim VIII. Pater-Werenfried-Jahresgedenken, das das weltweite katholische Hilfswerk "Kirche in Not" am Samstag im Kölner Maternushaus veranstaltete, auf das von 208 Theologen aus dem deutschsprachigen Raum unterzeichnete Memorandum vom 4. Februar mit Reformvorschlägen für die katholische Kirche: „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch".
Die Verfasser der Schrift fordern darin unter anderem, die Haltung gegenüber der Homosexualität zu ändern. Der Kardinal kritisierte, dass sich die Unterzeichner damit gegen das Naturrecht stellten: "Wo leben die denn?", fragte er rhetorisch. Um letztlich auch Andersgläubige mit dem Glauben anstecken zu können, müssten die Gläubigen im Einklang mit der Gott gegebenen natürlichen Ordnung "christoaktiv" aufgeladen sein. "Dann brauchen wir vor dem Islam keine Angst zu haben", betonte Kardinal Meisner mit Blick auf die unsichere Zukunft in den Ländern des Nahen Ostens infolge der Proteste gegen autoritäre Regime. Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem Islam, der auch in Europa stärker werde, mahnte der Kardinal mit den Worten des heiligen Petrus: "Brüder, seid nüchtern und wachsam."
Konkrete Beispiele für die Ausstrahlungskraft des Christentums auf Muslime schilderte der Vinzentinerpater Josef Herget. Mit einem "zehn- oder elfjährigen Bub" habe seine Arbeit mit Konversionswilligen angefangen. Seit dieser Zeit kümmert er sich intensiv um jene Türken, die im westlichen Europa neugierig auf den christlichen Glauben sind und im christlichen Glauben unterwiesen werden wollen. "Die Taufbewerber kommen von selbst", sagte er. "Sie haben ein Recht darauf, von Christus zu hören."
Inzwischen gebe es in Österreich, bei Wien und Graz, zwei Pfarrgemeinden für Katholiken türkischer Herkunft. Er habe selbst zwölf Jahre in der Türkei gelebt und sich ein Bild von den Menschen und dem Islam machen können. "Es gibt nur einen Gott, aber das Gottesbild ist verschieden", betonte der Pater. Das christliche Gottesbild vermittle, "dass Gott mich liebt". Daraus ergebe sich, dass es sich beim Islam um eine "radikal andere Religion" handle, die von Anfang an auch das politische und soziale System bestimmt habe. "Politik und Religion sind darin nicht auseinanderzuhalten", sagte er.
"Es gibt gezielte Pläne der Islamisierung der ganzen Welt", berichtete Erzbischof Louis Sako von Kirkuk im Norden des Irak. Deshalb hätten die Christen in Nahost angesichts der aktuellen Umbruchsituation sehr viel Angst, dass sich etwa ein flächendeckender Wandel hin zu religiösen Systemen wie im Iran vollziehe. Nach dem Selbstverständnis des Islam sei dieser die Vollendung der Religionen und damit den Überzeugungen von Juden und Christen überlegen, die als Bürger zweiter Klasse betrachtet und behandelt würden.
Die Demokratisierung, auf die viele Beobachter der derzeitigen Umbrüche in den arabischen Ländern hofften, sei ein umfassendes Projekt und könne nicht fertig eingeführt werden. Das sei die Erfahrung, die das Beispiel Irak zeige. Durch Bildung etwa könnten Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft geschaffen werden. Christen könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. Sie könnten bei den Muslimen Ansätze fördern, den Koran weniger wörtlich zu verstehen, als vielmehr zu interpretieren und ihn in seinen historischen Kontext zu setzen.
Christen und Muslime hätten im Mittelalter ein gemeinsames philosophisches Vokabular gefunden. Nun müssten beide Religionen zu einer neuen gemeinsamen Sprache kommen. "Wir brauchen moralische, menschliche und spirituelle Solidarität", appellierte der irakische Erzbischof an die Christen im Westen. Die Christen im Nahen Osten wüssten, was Dialog ist und wie man mit den Muslimen reden kann. "Wir geben Zeugnis ab, selbst durch das Martyrium", sagte Erzbischof Sako.